Es ist die typische Frage, ich sehe, wie die freundliche Dame mir gegenüber Luft holt und die Lippen spitzt.
Bis zu diesem Moment war es eigentlich ganz nett, wir haben uns beschnuppert, ein wenig kennengelernt, geplaudert und es gab genügend Gelegenheit, die eigenen vermeintlichen Vorzüge zu präsentieren und ein paar taktvoll kluge Schwächen einzubauen – kurzum die anpreisende Verkaufsphase ist fast abgeschlossen.
Doch jetzt wird es ernst – zumindest scheinbar. Denn nun kommt der Klassiker in puncto Möchte-gern-Vorstellungsgespräch-Recruitingsfragen. Ich nenne es insgeheim den „Zukunfts-Energie-Motivations-Antriebs-Loyalitätstest“.
Kaum gedacht, flötet mir die Personalerin auch schon engelsgleich entgegen: „Frau K., wo wollen Sie in sagen wir fünf Jahren sein?“ und ich denke resigniert wie so oft in diesem pseudo-psychologischen Bewerberspiel: Falsche Frage! Das WO ist doch vollkommen nebensächlich! Das WAS dagegen ist die entscheidende Komponente. Vielmehr sollte es heißen: „Frau K., was möchten Sie in sagen wir fünf Jahren sein?“
Meine Antwort, auf die Frage, die leider nie jemand von den klugen HR-Angestellten stellt, wäre immer die gleiche und damit die einzige Konstante, das einzige, das mir erstrebenswert und gleichzeitig so schwer zu erreichen scheint wie nichts anderes auf der Welt: „Ich möchte glücklich und erfüllt sein, jetzt und auch in fünf Jahren.“
Und bereits Watzlawick, unser guter alter Bekannter aus Schulzeiten, der mit seinem „Man kann nicht nicht-kommunizieren-Modell“ unsere Deutschstunden füllte, wusste: „Im Aufbruch, nicht im Ziele liegt das Glück.“ Wieso also sollte ich mich auf ein potenzielles theoretisch weit entferntes Ziel festlegen statt einen Tag nach dem anderen gespannt mit Leben und Erfahrungen zu füllen?
Ich bin 32 Jahre jung und nichts lief in meinem Leben bisher strikt nach Plan, auch wenn ich und mein Umfeld natürlich in der Vergangenheit emsig Pläne für mich schmiedeten.
Nun, wie heißt es so schön: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. So landete ich nicht wie von meinen Eltern gewünscht auf einer Gesamtschule, sondern dank meiner engagierten Grundschullehrerin auf einem Gymnasium, so startete ich mit Mitte 20 nach zwei Ausbildungen in Windeseile eine Unikarriere.
So landete ich unverhofft mitten im Fashionbusiness und erlebte stürmische, aufregende und lehrreiche Zeiten. So ziehe ich nun, wer hätte es je für möglich gehalten, ich wohl am allerwenigsten, aus meiner heiß geliebten Ruhrstadt in die nordisch Kühle Hamburgs und freue mich drauf.
Zusammengefassst kann man sagen, ich blicke auf ereignisreiche, intensive, oft schöne, manchmal traurige Erfahrungen zurück, die mich zu dem Menschen machten, der ich heute bin:
Neugierig aufs Leben, offen für Neues, wissbegierig, motiviert und mit dem Ziel immer weiter an mir und meinen Herausforderungen zu wachsen.
Zugegebener Knackpunkt: Das Wachsen kann mir ab und zu nicht schnell genug gehen – Geduld zählt nicht unbedingt zu meinen nennenswerten Stärken.
Natürlich wünsch ich mir Erfolg und innere Erfüllung – im besten Fall gibts beides gleich im Doppelpack und wartet sowohl beruflich als auch privat auf mich.
Doch wie sagte eine gute Freundin neulich so treffend: „Mia, wir sind in unseren Dreißigern. Hier gehts um alles oder nichts. Hier gehts um die drei KKKs: Kirche, Kinder, Karriere.“
Demnach scheint es für Frauen in meinem Alter im Großen und Ganzen nur zwei auf Dauer wenig verheißungsvolle Alternativen zu geben:
1. Konzentration auf die ersten beiden Ks: Emsiger Nestbau (gern ländlich, aber so, dass man binnen 10 Minuten mit dem Auto die nächste Stadt erreicht) verbunden dem Traum vom ehelichen Gelübde und gefolgt von möglichst süßem Nachwuchs.
Gefährliche potenzielle Kehrseite: Schäbige Schlammschlacht mit dem ehemaligen vermeintlichen „Für-immer-Mann“, der sich im Lauf der Zeit dann doch als „Nie-wieder-Mann“ entpuppt und mit dem die von der Liebesillusion enttäuschte, der steinigen Realität ins Auge blickende Frau gerade um die Nachkommen und das ehemalige Domizil des Glücks einen aufreibenden Scheidungskrieg ausfechtet.
2. Konzentration auf das dritte K: Eifrige Fokussierung auf die eigene berufliche Karriere verbunden mit dem Traum vollkommener Unabhängigkeit und finanzieller Freiheit.
Gefährliche potenzielle Kehrseite: Mit wem soll frau all ihren Erfolg teilen, wenn sie abends die zentral gelegene Penthousewohnung betritt und ausser einem Kanarienvogel niemand darauf wartet, dass man ihm Zuneigung schenkt?
Liebe Personaler dieser Welt, ich möchte mich nicht für A, B oder gar Variante C, die es ja hoffentlich auch noch gibt, entscheiden müssen, nicht auf Stein und Bein festlegen, wo ich in der Zukunft sein will, welcher Schritt auf der Karriereleiter unausweislich der nächste sein soll.
Vielmehr möchte ich erwartungsvoll und gespannt erleben, was die Zukunft für mich bereit hält und mich mit den hoffentlich spannenden und abwechslungsreichen Herausforderungen messen.
Hand aufs Psychologie-für-Anfänger-Personaler-Herz: Wie soll ich wirklich wissen, wo ich in fünf Jahren sein werde und ganz ehrlich, wozu sollte es gut sein, das zu wissen?
Wie kann das überhaupt irgend jemand ehrlich und wahrhaftig wissen? Ich halte es da mit einem überaus weisen Mann mit runder Nickelbrille, der wie so manch weiser Mann mit runder Nickelbrille viel zu früh sterben musste und der einmal sagte: „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“
Und in der Zwischenzeit versuche ich glücklich zu sein und mein Bestes zu geben. Einen Tag nach dem anderen.