Es ist der 3. Januar 2014 und ich habe fast den gesamten gestrigen Tag auf Flughäfen verbracht. Habe mich fliegen lassen von einer Stadt in eine andere, von einem Land in ein anderes. Habe während der Reise 4 Mal eine Tasse Tee und ein Glas Orangensaft an Bord bestellt.
Meine Gedanken schweifen und mich mitreißen lassen von der Kraft des Flugzeugs, der Müdigkeit der Langstreckenflieger, der Aufregung der Kinder an Bord. Habe Flugbegleiter beobachtet, ihre routinierten Bewegungen gesehen, mich über das notorische Nuscheln von Piloten gewundert und gedacht, nichts ist schöner als Fliegen. Ich bin bekanntlich bekennende Zugfahrerin, doch gestern erlag ich der logistischen Meisterleistung Flughafen. Von oben weit ausgestreckt in alle Himmelsrichtungen, erscheint ein Flughafen von innen wie eine Blase. Befreit vom schweren Gepäck wandle ich darin, esse die vielleicht teuerste Paella meines Lebens, trinke die mit Sicherheit teuerste Apfelschorle meines Lebens und lasse mich zum Shoppen verleiten.
Breite mich aus im Wartebereich, liegend lesend, geduldig wartend. Wärme mich am kostenlosen Tee- und Kaffeeservice der Lufthansa und sehe mir die Menschenströme an, wenn ich nicht gerade mit ihnen mitschwimme. Irgendwann trete ich an die Fensterwand und blicke nach draußen. Überall Bewegung. Während die Flugzeuge verharren, wuseln Gepäckwagen umher, Busse transportieren Menschen zu den Treppen, ein Tanklaster mit 42.000 Litern Kerosin fährt vorüber, Männer, die sich mit gepolsterten Kopfhörern gegen den ohrenbetäubenden Lärm der Triebwerke schützen, laufen hin und her, weisen Busse und Menschen ein, kümmern sich um die Koffer. Ein Bus trägt die Aufschrift Herzlich Willkommen. Hanger und Rollfeld im Hintergrund, irgendwo der Tower. Alles ist zu groß, zu weit, um es zu erfassen.
Es kommt Bewegung ins Gate; kaum sitzt eine Mitarbeiterin hinter dem Desk, geht ein Ruck durch den Wartesaal und es bildet sich eine Schlange. Kurze Zeit später sitze ich dann wieder im Flugzeug und frage mich, wie ist eigentlich das Verhältnis der Länge eines Flugzeugs zu seinen Flügeln? Ist es immer gleich? Wie lange dauert es, einen A321 zusammenzuschrauben? Mir fällt auf, dass ich in Deutschland beim Abflug einen Schokomüsliriegel bekam, die Flugbegleiterinnen uns beim Start in Italien hingegen erstmal ein verpacktes Einweg-Handtuch in die Hand drücken, damit wir uns alle die Hände säubern können. Obwohl ich mir vor dem Einsteigen erst die Hände gewaschen habe, öffne ich wie alle anderen Passagiere die Verpackung und reinige meine Hände unnötigerweise noch einmal mit dem stark parfümierten Handtuch. Das dann in 200facher Ausführung weggeschmissen wird, schießt es mir durch den Kopf.
Mittlerweile ist es dunkel geworden. Von meinem Fensterplatz aus sehe ich die Lichter des Rollfelds. Blaue Punkte, grüne Linien, rote Warnungen, orange blinkend, weiß. Gerne würde ich hier einmal hinter die Kulissen sehen, erfahren, wofür die Numerierungen stehen, was die Buchstaben bedeuten. Wir heben ab und ich spüre die Kraft dieser Maschine, die mich in den Sitz drückt, die sich gleichzeitig leicht und doch mühevoll nach oben schwingt, angetrieben von ihren mächtigen Triebwerken, getragen von Luft, Wind und Kerosin. Wir lassen die Großstadt unter uns; Häuser werden zu Punkten, Straßen und Autos zu Lichterketten eines gigantischen Weihnachtsbaums.
Ich blicke von oben auf die blinkenden Signallichter am Flügel, die das Kind von unten immer für einen Stern hält. Weiß wie der Prosecco und rot wie der Rotwein, die ausgeschenkt wurden, kaum einen Wimpernschlag von einander entfernt. Die sanfte Landung überrascht mich genauso wie das Aufspringen der Passagiere kaum dass das Flugzeug hält. Die gelassene Ruhe während des Flugs weicht emsiger Geschäftigkeit, jäh ausgebremst durch die Tatsache, dass die Türen nicht sofort geöffnet werden. Dann folge ich der Herde zur Gepäckrückgabe und staune über die minutengenaue digitale Vorhersage der Ankunft der Koffer. Meiner ist zu neu, als dass ich ihn sofort erkennen würde, als er schwer auf das Band fällt. Als ich ihn vom Band nehme, sehe ich eine dunkle Verfärbung auf der roten Oberseite, er ist eingeweiht. Und dann möchte ich nur noch eins: raus, in die Nacht, die frische Luft einatmen und ankommen.