Im freien Fall

Bis wir uns wiedersehen in Nangijala

Ich schwanke. Schwanke zwischen fassungsloser Hilflosigkeit, lähmender Trauer, rasender Wut und leiser Erleichterung, weil du jetzt nicht mehr leiden musst. Ich verfluche die Ungerechtigkeit des Lebens, die dich viel zu früh herausgerissen hat. Und wir, die noch da sind, zu machtlosen Zuschauern verdammt.

Wache wie betäubt morgens auf, will zum Handy greifen und dir von meinem verrückten Traum berichten, bis mir einfällt, dass du nicht mehr hier bist und die Erkenntnis, dass ich dir nie wieder etwas erzählen kann, nie wieder dein Lachen, deine Stimme und deine weisen und klugen Gedanken zu einem Thema hören werde, sickert langsam in mein Bewusstsein. Ich schließe die Augen. Jum-Jum ohne Mio ab sofort für den Rest meines Lebens.

DU. Würdevoll und stark bis zum Ende. Voller Fassung und Ruhe, den Blick stets gerichtet auf uns, auf die, die ohne dich zurück bleiben.

Du hast mir mal gesagt, wahre, tiefe Liebe zu erleben, egal, wie lange sie letztendlich währt, sei ein kostbares Geschenk und seltenes Glück, für das man dankbar sein sollte, weil es Menschen gebe, die so etwas nie erfahren.

Dein Credo:
„Ich bin Atheistin und brauche keine andere Religion als die Liebe. Deswegen nutze jede Begegnung als wäre es die letzte.“ 

Ich würde dir jetzt so gern sagen: Eine wahre, tiefe Freundschaft wie die deine zu erleben, egal, wie lange sie währt, ist ein kostbares Geschenk und seltenes Glück, für das ich dankbar bin.

Du hast mich nach all der Zeit wiedergefunden, damals nachmittags auf dem Schulterblatt, bedingungslos in dein riesengroßes Herz geschlossen, hast mich an dunklen Tagen gerettet, mich vor so mancher Dummheit bewahrt, konntest mich lesen wie ein offenes Buch, warst korrektiver Spiegel, beste White Russian Mixerin, Schwester im Geiste, meine Lebenslachensleidenslieblingslady, Partner in Crime, nicht nur in endlosen Nächten auf St. Pauli, sondern auch an noch so langen Tagen. Selbst als uns mehrere 100 Kilometer trennten, gab es nur wenige Momente, die wir nicht geteilt, bewertet und in epischer Breite von links nach rechts drehten und besprachen. Bis zum Schluss. Jede Minute genutzt, uns alles offenbart, Ängste, Sorgen, Träume und Hoffnungen geteilt.

Ich hab dich stets für deine Kraft und besonnene Sicht auf die Welt und das Leben bewundert. Deine Freundschaft war tiefes Verstehen, vollkommen frei von Erwartungen, dafür mit einer gehörigen Portion Spontanität, denn so gut wie du im Pläne schmieden warst, so schwer hast du dich oftmals mit Entscheidungen treffen getan. Immer zuerst an alle anderen und dann erst an dich gedacht.

Ich hab deine Worte von neulich im Ohr:  Eine Woche kein Kontakt ist zu lang. Aus einer Woche wird nun ein Leben lang. Du fehlst mir. Unfassbar. Die Lücke, die du hinterlässt, ist riesig, die Leere in mir groß.

Doch ich hab dir versprochen, dich gehen zu lassen, loszulassen, klarzukommen, die zweite Hälfte unseres Lebens ohne dich weiterzugehen, Schritt für Schritt, bis wir uns wiedersehen in Nangijala.

Solange gilt: Ich trag dich bei mir. Immer. Weil du wusstest: Ich bin da. Ich werde da sein. So wie du es immer warst und immer noch bist. Im alten Saab bei Sonnenschein und offenen Fenstern dem Meer entgegen. Ich trag dich bei mir. Egal, ob uns zwei Häuser, zwei Strassen, zwei Städte oder zwei Welten trennen.

Saab 900 im Sonnenuntergang

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